Dienstag, 7. Mai 2013

Etappe 3: Auf den Spuren des Erdbeerzuges.

Von Tiverton nach Chepstow.

Zum Frühstück beschränkt sich die Auswahl auf Full English Breakfast; der Ehemann vom Vorabend wartet schon in Küchenschürze, dass wir die Bestellankreuzzettelchen ausfüllen. Es ist halbacht und wir scheinen die Ausschläfer unter den Gästen zu sein. Die anderen Frühstücker sitzen einzeln verteilt im Blaumann an den anderen Tischen und wischen sich gerade die letzten Brotkrümel von der Lippe.

Nach dem “Full English Breakfast kontinental reduziert auf Toast mit Rührei und Tomate” sammeln wir unsere noch leicht klammen Klamotten von den Nicht-Heizungen und sind noch vor 9 Uhr auf unseren Rädern. Neuer Rekord!

Es geht wie gewohnt auf ruhigen, sonnigen Straßen – mal mit hohen Hecken, mal mit Sicht flott voran. Große Änderung zu den beiden Vortagen: Das Land ist relativ flach, sodass wir uns nicht mehr Mauer um Mauer hochkämpfen müssen, sondern einfach gemütlich dahin fahren. So hab ich mir das vorgestellt!

Flach wie Holland! Juchhu!

Gegen elf erreichen wir die Universitätsstadt Taunton. Eigentlich noch zu früh für ein Mittagessen, aber da lacht uns schon die „Bakery at the Riverside“ an und wir können nicht ‚nein‘ sagen. Denn wenn die Engländer auch beim Kochen hinterherhängen – backen können sie!

Wir bestellen uns unser umfangreiches und reichhaltiges Kuchen-Lunch und setzen uns auf eine Bank am Fluss Tone. Unsere immer noch etwas feuchten Wechselsachen verteilen wir im sonnenverwöhnten Gebüsch hinter uns.

Frühstück am Fluss – mit Sonne und Pie.

Hinter Taunton führt der Weg uns eine Weile am Flüsschen entlang. Naturidylle pur. Das leise Murren von hinten ob des kieseligen Weges ignoriere ich. Gibt ja zum Glück auch keine Single-Trails aus Asphalt. Wie würde das denn aussehen?

Den Fluss-Trail haben wir ganz für uns alleine …

… wenn man mal von den Schwänen absieht …

… und den Kranichen.

In Bathpool verlassen wir den Flussweg und werden auf die A38 gespuckt. Sofort wünscht sich selbst mein Schön-Asphalt-Fahrer wieder die ruhigen einsamen Kieselsteinchen zurück. Bis auf dass es durch Panik getrieben recht flott voran geht auf den großen Straßen, haben diese echt keinen weiteren Vorteil. Nach vier Kilometern geht’s zum Glück wieder auf Nebenstraßen, aber auch nur bis Bridgwater. Danach wartet erneut die A38 auf uns.

Diesmal sind es fast 20 Kilometer, die wir uns mit den vorbeiwhoooshenden Autos teilen müssen. Wir halten regelmäßig links an, um das Adrenalin mit ein wenig Wasser runterzuspülen. Spaß macht das nicht. Der Fahrradweg ist gefühlte 20 Zentimeter breit und die Autos überholen uns immer wieder auf Tuchfühlung.

Auch solche Wege ließen sich nicht vermeiden.

Hinter Axbridge geht es dann endlich links ab auf eine kleine Ministraße. Wir atmen durch und sind froh ob der Ruhe. Als wir sehen, wo wir gelandet sind, fangen wir beide breit an zu grinsen: The Strawberry Line, eine alte Zugstrecke, die jetzt für Radfahrer, Jogger, Spaziergänger ausgebaut wurde.

Wir kannten solche Zugstrecken von anderen Radtouren und sie sind immer etwas Besonderes: die Tunnel, manchmal Brücken, die gerade Streckenführung und die kleine Schneise in der Natur, wo früher der Zug durchpasste und heute wir – magisch!

Strawberry Line: schöne Entschädigung nach dem Stress auf der A38.

Hier stehen sogar noch die alten Bahnsteige rum.

Zufrieden rollern wir durch die Sonne und erheben die Strawberry Line sogleich zum bisher schönsten Streckenabschnitt unserer Tour. Wir hoffen, dass es noch ewig so weiter geht und vermissen lediglich ein wenig mehr kulinarische Erschlossenheit an der Zugstrecke.

Hier fuhr der Zug nicht lang, aber schön ist es trotzdem: Ein Teil der Strawberry Line führt durch eine private Apfelplantage.

Als uns der Magen schon in den Kniekehlen hängt, entdecken wir endlich ein kleines Schildchen: 'café' und biegen sofort ab. Es geht über einen Steineacker ganz nach hinten auf einen Hof, wo ein kleines, leider geschlossenes Café am See steht. Mist! Gerade, als wir unsere letzten Kekse und das schon etwas abgestandene Trinkflaschenwasser rausholen und uns auf die leeren Bänke setzen wollen, linst eine Frau um die Ecke: “Do you want anything to drink from the café?“ „Jaaaaaaaaa!“

Sie lächelt und schließt das Café auf. Sie hätte nichts mehr zu essen, weil sie heute überrannt wurde von Gästen (bei dem Wetterchen gar kein Wunder!), aber Getränke könne sie uns noch verkaufen. Also bestellen wir und unsere hungrigen Augen entdecken sogar noch zwei riesige Schoko-Cookies in der Auslage, die sie uns sehr wohl noch verkaufen kann.

Yummy! Ausgehungert schmecken Schoko-Cookies noch besser! Und dazu dieses See-Sonne-Natur-Setting!

Es ging noch ein paar Kilometer weiter bevor wir uns in Yatton von der Strawberry Line verabschiedeten.

Tschüss, Strawberry Line.

Unsere Strecke führte uns ereignislos auf der Südseite des Severn-Flusses entlang und aus der Ferne sah man schon das letzte Tages-Highlight: die Severn Bridge und die zweite Brücke mit dem originellen Namen Second Severn Crossing. Wir fuhren kilometerlang auf diese beiden Brücken zu, mal verschwand die eine hinter einer Kurve, mal die andere. Und es dauerte eine ganze Weile bevor sie tatsächlich in voller Größe vor uns auftauchten.

Second Severn Crossing: Schrägseilbrücke in der Abendsonne.

Bevor es auf die Severn-Brücke ging, fütterten wir noch Freddy, das Pferd.

Severn Bridge mit Hängekonstruktion. Vor uns Wales, hinter uns England.

Auf der gegenüberliegenden Flussseite erreichten wir Wales – und unser Tagesziel. Die 25 Kilometer Rückstand vom Vortag hatten wir noch nicht wieder aufgeholt. Aber Minuskilometer hatten wir zumindest auch keine weiteren gemacht.

Zur Übernachtung fielen wir zweckmäßig, aber wenig spektakulär ins Two Rivers in Chepstow ein, wo es zum Abendessen wieder Lasagne gab. Mir schien, ich hatte ein paar Kohlenhydrate nötig.

Fazit: Die bisher schönste Etappe: wunderschöner Kanalweg und fantastische Fahrrad-Bahnstrecke durch die Natur mit viel Sonne. Das entschädigte allemal auch für die Schnellstraßen-Streckenabschnitte unterwegs.

Unterkunft
Two Rivers
Newport Road
Chepstow
NP16 5PR

Unterwegs
Strawberry Line, old railway line
Café am See: etwa 2,5 Kilometer nachdem es rechts vom “Drove Way” abgeht.

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