Montag, 6. Mai 2013

Etappe 2: Ein erster Hauch von Schottland.

Von Camelford nach Tiverton.

Frisch und ausgeschlafen starteten wir in den neuen Tag. Das Magenmännchen hatte Überstunden gemacht, um die frittierten Kalorien vom vorabendlichen Pub-Abendbrot beiseite zu schaffen, war aber nicht sonderlich erfolgreich. Zum Glück ging es gleich mit Full-English-Breakfast-Buffet weiter. Ich hörte das Magenmännchen leise stöhnen und griff vorsichtshalber zum Toast mit Butter und Marmelade.

So gestärkt packten wir unsere Rucksäcke, schmierten uns mit nicht-einziehen-wollendem Sonnencremepamps ein bis wir kreidebleich waren und taten noch einen Tupfer Po-Creme auf den, nunja, Po. Es deutete sich an, dass das hilfreich sein könnte …

Wir verabschiedeten uns vom Golfplatz und starteten in einen weiteren sonnigen Tag.

Mit Fahrradschuhen auf den Golfrasen fürs Foto – auweia!

Es ging – wie immer – Richtung Norden – in die „-worthy“-Welt: Hallworthy, Canworthy Water, Caudworthy, Maxworthy und so weiter. Meine überragendenen Garmin-Navigationskenntnisse hatten mich über Nacht verlassen und ich kam ständig vom rosa Strich ab. Das war aber gar nicht so schlimm, weil ich es vorsichtshalber der Reisegruppe verschwieg und so tat als sei alles in bester Ordnung. War es ja auch.

Unsere neue Reiseroute führte uns auf ein Hochmoor, das mich schon sehr an mein geliebtes Schottland erinnerte. Herrlich: weite Ebene in leuchtend gelb-grün-braun; schmale, unorthodox dahinplanierte Straße; Schafe und Schäfchen – und plötzlich ein altes Rolls-Royce-Polizeiauto samt Filmcrew, das uns langsam überholte. Ich sah mich um: Das leuchtete mir ein, dass das eine prima Filmkulisse gab.

Schafe sprangen auf die Straße und liefen vor uns weg. In schäfischer Intelligenz hieß das lustigerweise: vor uns her; was fast schon surreal idyllisch wirkte: Wir inmitten der Schafe, um uns herum Weite und Landschaft. Und das bei 24 Grad und Sonnenschein.

Weglaufen heißt für Schafe immer erstmal, eine Weile vor den Rädern rennen. Erst dann fällt ihnen an, nach rechts abzubiegen und die Straße freizumachen.

Wir querten die Landebahn eines alten Flugplatzes und die ersten 40 Kilometer fuhren sich wie von selbst. Ich wollte die Sonne nutzen und wenigstens einmal im Freien picknicken. Wer weiß, wie oft sich wettertechnisch dazu noch die Gelegenheit ergab … (Ich greife mal vorweg: an keinem weiteren Tag ...) und so bogen wir in Holsworthy in einen Supermarkt ab. Mittlerweile waren wir auch wieder auf die garmin-approvede Strecke zurückgekehrt. Hungrig wie wir waren, liefen wir an den Regalen Amok: Sandwiches, Bananen, frisch gepresste Säfte, Wasser, Schokolade, Melonenscheiben und noch ein paar Teilchen aus der Backwarenabteilung. Yummy!

Vor dem Supermarkt stopfen wir die dem überbordenden Hunger geschuldeten Panikeinkäufe in die eh schon vollen Rucksäcke. Die Motorradfahrer neben uns lachen uns an: Sie haben dasselbe Problem: Zu viel Essen für zu kleine Taschen.

Nun gilt es, noch ein geeignetes Picknickplätzchen zu finden. Und natürlich kommt erst mal ewig nichts: Enge Straßen mit hohen Hecken wechseln sich ab mit Wald ohne Sonnendurchlässigkeit. Hmpf. Hungrig bin ich ja immer nicht so ein Sonnenscheinchen und so bin ich kurz davor, einfach irgendwo in einer Hecke im Schatten missmutig meinen Rucksack auszupacken. Schwer ist der nämlich mittlerweile auch von dem ganzen Fraß. Und ich denke sehnsüchtig, dass ich selbigen lieber in meinem Magen tragen würde statt auf dem Rücken.

Während ich also grummelnd, ansonsten aber sehr schweigsam die Hügel auf und ab fahre seh ich ihn: unseren Picknickplatz. Ein Park mit See, Blümchen, Staturen … und Holztischen. Es ist nicht ganz klar, ob das ein privater großer Garten ist oder für die Öffentlichkeit. Aber das ist mir ausnahmsweise egal und eh ichs mich versehe, liegt das Caad in der Ecke und alle Einkäufe hübsch drappiert auf dem Tisch.

Hunger!

Aaaaahh! So einfach bin ich mit der Welt zu versöhnen. Herrlich ist es hier! Ich springe um den Tisch herum, mache Fotos. Dann wieder sitze ich nur da, genieße die Sonnenstrahlen und schaue mich um – wie schön der Garten ist! Und nebenbei inhaliere ich Sandwiches, Bananen, Schokolade und Kuchenteilchen: zur Freude des seit einer ganzen Weile schon unterbeschäftigten Magenmännchens.

Im Landhaus hinter dem Garten unterbricht der betagte Lord seine Rasenmäherei und kommt langsam auf uns zu. Oh nein! Er will uns von seinem Grund und Boden werfen! Ich bin noch nicht so weit! Bitte, bitte, bitte – nur noch die Schokolade aufessen und dann noch kurz erholen und die Melonenscheiben habe ich auch noch nicht probiert!

Zum Glück will er niemanden irgendwohin werfen und fragt nur, wo wir herkommen und wo wir hinwollen. Wir kommen ins Gespräch und ich frage ihn nach dem Park. Er gehört tatsächlich ihm, aber montags bis mittwochs von 14 bis 17 Uhr öffnet er ihn für die Öffentlichkeit. Es ist Montag, halbzwei. Das zählt!

Er fragt, ob wir den Rest seines Anwesens auch noch ansehen wollen. Da ich gerade einfach nur sitzen möchte, und wir ja auch noch ein paar Kilometer vor uns haben, lehnen wir dankend und kauend ab. Wir würden gern einfach noch eine Weile hier sitzen bleiben. Das sei in Ordnung, sagt er. Fünf Minuten später steht er wieder vor uns und gibt uns einen Flyer. Ah, Wick Farm Gardens sind wir. Am Abend im Hotel lesen wir dann, dass der Park eigentlich Eintritt kostet. Ups.

Lunch deLuxe – in den Wick Farm Gardens.

Zufrieden und mit dem Gegenteil von “hungrig” geht es weiter. Die Energie war bitternötig, denn es ging so weiter, wie es gestern aufgehört hatte: rauf und runter. Immer wieder kurze, steile 16-Prozenter, einmal sogar 18 Prozent. Ich frage mich, wie ich das in Österreich überlebt habe und warum überhaupt? Da gings mehrere Stunden mit 12 Prozent bergauf. Wer macht denn sowas freiwillig? Hier gab es wenigstens noch Abwechslung durch die Abfahrten und immer wieder die Tiere.

Schafe und Kühe bestimmen das Bild. Irgendwann bleiben wir mal bei einer kleinen Kuhherde stehen – mehr, weil wir mal wieder Pause machen wollen als weil wir uns für die Milkatiere interessieren. Apropos interessieren: Die Wiederkäuer schwankten zwischen Angst und Neugierde und betrachteten uns aus sicherer Entfernung. Sobald eine Mut zeigte und einen halben Meter auf uns zuging, tippelten alle anderen hinterher. Und so pirschten sie sich in Zeitlupe immer weiter an uns heran. Fairerweise muss man dazu sagen, dass auch ich zwischen Zögern und Fotofreude wankte und selber immer vor und zurück ging – immer die Kamera im Anschlag.

Angstkühe und Angstfotografin. Und trotzdem ein schönes Bild bei rausgekommen.

Gegen späten Nachmittag kehrten wir in Chawleigh in einen Pub ein und es gab den traditionellen Tea. Allerdings ohne Beiwerk wie Scones oder Kekse. Stattdessen saßen die Briten schon an der Theke beim Bier. Aha. Wir kamen ins Gespräch mit dem älteren Pärchen am Nachbartisch und beim Aufstehen sagt die Lady kopfschüttelnd respektvoll: „I couldn’t do this. My muscles would ache so much!“ Ihr Mann lächelt mich an und flüstert mir zu: „She doesn’t even have any muscles!“

Wir schnallen die Sachen auf und weiter geht’s. Als ich das Garmin anmache, merke ich, dass da was nicht stimmt. Das sieht alles ganz komisch aus. Grund anzuhalten. Ein kurzer Check bestätigt: Das Garmin hat sich auf Werkseinstellungen zurückgesetzt. Ich will jetzt hier nicht die Flüche in allen Einzelheiten wiedergeben, die mir die kommenden Kilometer durch den Kopf schossen. Ich fass es mal kurz: So ein blöder Scheiß!!

Es waren noch knapp 50 Kilometer bis zum Tagesziel. Aber die Luft war sowas von raus. Ich versuchte, während der Fahrt mein Garmin wieder zu reparieren und die Tränen der Enttäuschung runterzuschlucken. Den Rest des Tages quälte ich mich die Berge rauf und runter und war froh als wir Tiverton erreichten und uns auch einig waren, dass hier übernachtet wird.

Da kann die Landschaft noch so schön sein. Wenn das Garmin kaputt geht, ist die Laune dahin.

Das erste Haus, an dem wir klingelten, ließ uns auch gleich ein. Im Bridge Guest House schob scheinbar der Ehemann Dienst und kümmerte sich etwas tapsig, aber sehr freundlich um uns und unsere Fahrräder. Wir schmissen die mittlerweile etwas stinkigen Fahrradsachen ins Waschbecken und breiteten kurze Zeit später tropfnasse Funktionskleidung mit viel Hoffnung auf die Heizungen im Zimmer, die natürlich britisch-typisch ausgeschaltet waren.

Zum Abendessen gings noch ein paar Meter in die Stadt und nachdem wir der englischen Küche nach nur drei Tagen schon leicht überdrüssig waren, gab es große, leckere Lasagne.

Fazit: Sonne und Landschaft haben heute alles richtig gemacht. Das Garmin hat es sich verscherzt.

Unterkunft
Bridge Guest House
23 Angel Hill
Tiverton
Devon

Unterwegs
Wick Farm Gardens
Cookbury Wick
Cookbury, Holsworthy
Devon, EX22 6NU

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