Samstag, 4. Mai 2013

Anreise: Paddington und die Beef-Katze.

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Wie bloß kommt man auf die Idee in England Rad zu fahren? Das war die wohl am häufigsten gehörte Frage in Vorbereitung und euphorischer Kundtuung unseres Urlaubsziels. Die Antwort lag ja wohl auf der Hand: Erstens, fahren wir nicht nach England, sondern nach Großbritannien. Und zweitens, war ich schon mal in England und Schottland und das sind alles nur Klischees. Da regnet es wirklich nie! Mehr war dazu einfach nicht zu sagen.

Entstanden ist die Idee im Übrigen, weil wir, die Liebe und ich, uns eines Artikels in der TOUR-Zeitschrift entsannen, an dessen Aussage "Ich will nur noch, dass es aufhört" ich mich schon damals stieß. Ging es hier doch schließlich um mein geliebtes Lieblingsland. Da solle man doch bitte nicht so rumheulen; jede Anstrengung würde doch schließlich mit atemberaubenden Landschaften und dem bezaubernden Klang der schönsten Sprache der Welt belohnt! Dafür ist ein wenig Mühsal doch nicht zu viel verlangt ...

So viel vorweg: Ich wollte auch nur noch, dass es aufhört! Und dennoch ließ nie meine Liebe zu diesem Land nach. Auch im längsten Regen und am steilsten Anstieg kam ich nicht umhin, alle Sinne zu öffnen und die Schönheit um mich herum aufzusaugen.

Auf gehts! Jede Reise beginnt mit einer langen Anreise.

Unsere Reise beginnt in London. Mit Sack und Pack, also mit zerlegten Rädern in Hartschalenkoffern, strandeten wir in Victoria Station zu einem Urlaubsauftaktsfrühstück. Es gab pappiges Sandwiche und heiße Schokolade inmitten hektisch umher laufender Londoner Zugreisende. Ich erinnerte mich an die vielen magischen Auftaktfrühstücke, die wir schon auf anderen Urlaubsreisen hatten, ganz vorneweg das Strandcafé auf Mallorca.

Damit konnte die Victoria Station natürlich nicht mithalten. Aber dennoch: Wie immer, wenn ich nach England kam, fühlte ich mich einfach wie zu Hause, wie angekommen. Und noch mehr Vorfreude machte sich breit.

Nachdem wir gesättigt waren, ging es mit dem Taxi weiter zu Agata. Agata, eine ehemalige Kollegin, war Teil unseres aufwändigen Logistikkonzepts und würde unseren Fahrradkoffern für die zwei Wochen eine Bleibe bieten. Wir klingelten. Und wurden aus verschlafenen Augen begrüßt mit: "Ihr seid zu früh!" Hinter ihr linste Sönke, ebenfalls ehemalig und ebenfalls Kollege, um die Ecke und lachte uns an: "Ich konnte mir noch nicht mal die Haare machen!"

Während die zwei Partyhasen langsam zu sich kamen, räumte die Liebe schon mal die Kisten aus und begann, die Fahrräder zusammenzusetzen. Wir anderen plauderten derweile über die guten alten J-Zeiten. Als zwei Fahrräder und zwei Fahrradkisten in dem 2x1-Meter großen Flur rumstanden, war im Wesentlichen kein Platz mehr und wir losfahrbereit. Also hievten wir noch die leeren Kisten im Miniflur die zwei Etagen zu Agata hoch, schmissen die Radsachen an und sprangen dann auch schon wieder auf die Räder in Richtung Paddington Station.

Startklar für ein britisches Abenteuer.

Der Linksverkehr war wie vermutet gewöhnungsbedürftig, aber mit ein wenig Rumeiern und besonders langsamem Konzentrationsfahren meisterten wir auch das ohne Blessuren. Am Bahnhof hatten wir noch eine Stunde Zeit und ich rannte dreimal in den Paddington-Bear-Shop und unverrichteter Dinge, also bärenlos, wieder raus. Wir hatten ja auch gar keinen Platz für einen Bären (alles Gewicht!!) und überhaupt - auf meinem Regal in Berlin stand schon ein Paddington. Das grenzte ja schon fast an Verrat, wenn ich jetzt noch einen mitnehmen würde.

Auf der anderen Seite: die hatten alle ein "Please look after this bear. Thank you"-Schild um! Kurzum: Beim vierten Mal versagte mein Verstand und ich kam mit einem nagelneuen Paddington wieder raus. Wir gönnten uns noch ein paar Mitnehmkekse bei "mellie's cookies" und stiegen in den Zug, der uns in fünf Stunden nach Penzance kurz vor Land's End bringen sollte.

Der echte (hinten) und der Plüsch- (vorne) Paddington. Letzteren nahmen wir auf die Reise mit.

Die Sonne strahlte, die Landschaft huschte an unserem Fenster vorbei und die Vorfreude stieg mit jeder der tatsächlich irgendwann recht zähen 300 Minuten ans südliche Meer. Aber irgendwann ist auch jede noch so schöne Zugfahrt zu Ende und wir schwangen uns wieder auf die Räder für die letzten 25 Kilometer nach Land's End.

Auf großer Reise.

Fünf oder zehn Kilometer vor Schluss überholten wir einen einsamen Radfahrer, der erschreckend aussah: fix und fertig, wettergegerbt und jeder Tritt schien der Mobilisierung der letzten Kräfte zu bedurfen. Ein Finisher, wie sich herausstellte. Er war vor neun Tagen in John o' Groats gestartet und war unsäglich stolz auf das Erreichte. Er habe viel erlebt und viel über sich selbst gelernt. Das End-2-End sei vor allem auch eine psychische Herausforderung.

Ach komm, dachte ich ... dennoch schwante mir, dass es vielleicht doch nicht ganz so leicht werden würde, wie ich mir das immer einredete. Auf jeden Fall freuten die Liebe und ich uns auf das eigene Finishen - in dreizehn Tagen. Jeweils aus unterschiedlichen Gründen.

Drei Kilometer vor seinem Ziel verabschiedeten wir uns von dem Helden und bogen in unsere Unterkunft ab.

Wir strahlten, als uns Susie unsere Zimmer zeigte: liebevoll eingerichtet und mit allem, was das Radlerherz begehrt: Trockener Fahrradstellplatz, Müsliriegel und Shower-Caps. Zu letzteren später mehr.

Susie hatte für uns auch noch fix im Pub im Ort angerufen, dass noch zwei hungrige Reisende vorbeikommen würden. Allerdings müssten wir uns beeilen, weil die Küche bald zu mache. Also stellten wir nur unsere Sachen ab und stiefelten los zurück in den Ort. Im "First and Last Inn" stimmte uns eine Live-Band auf den Urlaub ein, indem sie einen Klassiker nach dem anderen intonierte. London calling ...

Fazit: Wichtigstes To-Do für den ersten Tag war es, eine heiße Schokolade deLuxe zu trinken. Bei diesem Vorhaben bin ich gescheitert. Der Rest klappte dafür allerdings erschreckend gut.

Anekdote am Rande: Als wir abends ankamen und es schon dämmerte lasen wir das Schild von Weitem und unsere müden Augen entzifferten "Watch out for the beef cat". Unser Kopfkino produzierte Unfug bis wir kicherten. Die Auflösung gabs dann am nächsten Morgen. Bei Tageslicht. Deaf cat. Achsoooo.

Unterkunft
Land's End Hostel and B&B
Mill Barn, Trevescan
Sennen, Land's End, Penzance, Cornwall TR19 7AQ

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