Samstag, 7. April 2007

„Ich sterbe. Dass ich das noch erleben durfte!“

Jens Roselts "Dreier" am Renaissance-Theater.

„Warum müssen wir immer über deinen Mann reden nach dem Ficken?“ „Weil er das einzige ist, das wir gemein haben, wenn wir nicht ficken.“

Hinter Jalousien. In einer Großstadt. Ein Mann und eine Frau. Eine Liebesbeziehung. Eine Bettgeschichte. Ein Kampf. Sie ist die Frau seines besten Freundes. Erschütternd daran ist nur, dass nicht Liebe zum Verrat führte, sondern Geltungssucht, Gleichgültigkeit, Langeweile, Einsamkeit. Der Mann und beste Freund steht vor der Tür, die Frau und Geliebte versteckt sich unter dem Bett. Der Kampf geht weiter. Täuschung und Wahrheit. Verletzung und Eitelkeit. Das Ende: Ein Amok. Gewonnen ist nichts.

„Ich habe gelogen.“ „Wenigstens bist du ehrlich.“

Die Welt, in der sich diese Tragödie abspielt, kennt die Wahrheit nur noch als Mittel für die Täuschung par excellence. Lügen und verletzende schnelle Sprüche machen das Terrain aus, in dem alle drei Figuren zu Hause sind. In dem sie miteinander kommunizieren können. Sie bilden die Grundlage für die Ehe, die Affäre, die Freundschaft. Sie spinnen die Fäden, die die Figuren untereinander verbinden.

Die Wahrheit wird geflohen. Negiert. Als Lüge verlacht, um die für einen Moment im Anblick des Wahren verlorene Sicherheit künstlich wieder herzustellen. Das geht. Weil alle drei Figuren ihren Anspruch darauf, dass man ihnen glaubt, wenn sie wahr sprechen, schon vor Jahren verwirkt haben. Wahrheit wird gesprochen, nicht um aufzudecken, sondern um ein Spiel zu spielen. Ein Spiel, das die Langeweile vertreibt und den inszenierten Zusammenbruch vorantreibt.

„Wer will das sehen?“ „Ich will das sehen!“

Um der Langeweile und Ödnis zu entgehen, ist den Figuren jedes Mittel recht. Das Gegenüber wird zur Marionette im selbstarrangierten Melodrama. Das Leben in den eigenen trostlosen vier Wänden zum Mythos, der ein bisschen Glanz in die Mittelmäßigkeit bringen soll. Notfalls auch über die Leichen der zu Laiendarstellern missbrauchten Gefährten. Man verheizt sich. Man demütigt sich. Man stampft sich zu Boden. Allein, um einen halben Zentimeter über dem Anderen zu stehen. Allein, um das zur eigenen Erheiterung geschaffene Drama zu einem fulminanten Schluss zu führen.

„Warum?“

Die Momente, in denen die Figuren für einen kurzen Augenblick ihre Seele hinter dem Betonwall ihrer Lügen und Selbstsicherheiten entblößen und auf Befreiung hoffen, verstreichen. Nie scheitern sie mehr, als wenn sie Antworten fordern und Sprüche erhalten. Fragen mit Gegenfragen kontern. Halt suchen, aber nicht zueinander finden können.
Im Moment des Todes, so scheint es, finden sie erstmalig wirkliche Wahrheit und ehrliche Antwort.

Aber zu leichtfertig stirbt es sich. Der Zuschauer hat das Vertrauen auf Wahrheit in dieser Dreier-Beziehung verloren. Denn ihre Glaubwürdigkeit haben die Figuren schon vor langer Zeit verwirkt.

Das Lachen bleibt einem im Halse stecken.

Dreier von Jens Roselt.

Ben Becker, Max Hopp, Naomi Krauss
Regie: Tina Engel
Bühnenbild und Kostüme: Paul Lerchbaumer
Renaissance-Theater Berlin

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