Samstag, 7. April 2007

Der Atem des Todes.

Wenn der Tod keinen Sinn hat, hat auch das Leben keinen Sinn.

Jan Costin Wagners Krimi Eismond erzählt eine leise Geschichte. Es ist eine Geschichte über den Tod und über das Sterben. Vor allem aber ist es eine Geschichte über das Leben. Sie erzählt von Angst und Verzweiflung. Vor allem aber erzählt sie von Liebe.

Der finnische Polizist Kimmo Joentaa hat gefunden, wonach viele ihr Leben lang suchen: den einen Menschen, der ihn vervollkommnet, der sein Lachen in der Hand hält und seine Ruhe bewacht. Sanna, seine Frau, hat Krebs und stirbt in einer Nacht um vierzehn Minuten nach drei. Der Tod kommt im Schlaf zu ihr und mit ihm bleibt auch Joentaas Leben stehen.
"Markku sagte, daß das Leben tragisch sei, weil es sich immer auf den Tod zubewege."

Vesa Lehmus lebt mit einer namenlosen, ihn tief durchdringenden Angst. Erleichterung und Erlösung bis hin zu Befreiung und Euphorie kann er nur empfinden, wenn er Leben nimmt. Er tötet seine Opfer, indem er sie im Schlaf erstickt.
"Er tauchte in ihre Augen und begriff, daß er zwei Menschen getötet hatte. Er stellte sich vor, daß sie es ungeschehen machen könnte."
*****
Tod und Schlaf - Schlaf und Schlafes Bruder sind in diesem Krimi nur einen Augenaufschlag voneinander entfernt. Weil sie beide - der Mörder und der Polizist, der ihn sucht - auf ihre Weise mit diesem Wissen ringen, versuchen, es zu begreifen, um damit leben zu können, sind sie zutiefst miteinander verbunden. Sachte und langsam bewegen sie sich umeinander herum und die Kreise, die sie ziehen, werden enger, bis sie sich in dem, der als einziger an derselben Unsagbarkeit zu verzweifeln scheint, zu spiegeln beginnen.

Aber in Wagners Roman sind es nicht nur Joentaa und Lehmus, die der Berührung des Lebens durch den Tod standhalten müssen. Jede der 319 Seiten atmet "Tod" und jede der Figuren bewegt sich so nah an der Grenze hinter der das Leben und damit die begreifbare Welt aufhört, dass sie im besten Fall irritiert ist, zumeist jedoch gefährlich ins Schwanken gerät und benommen und benebelt versucht, an der Unwirklichkeit des Todes nicht zu zerbrechen. Das eigene Leben wird auf Pause gesetzt, weil der Tod und die Auseinandersetzung mit ihm nicht Teil dieses Lebens werden darf.
"Wenn all das vorbei war, würde er einfach wieder da anfangen, wo er aufgehört hatte."

Doch erst, wenn die Figuren beginnen zu verstehen, dass sich der Tod vom Leben nicht ausschließen lässt, erkennen sie, dass er nicht nur nimmt, sondern auch gibt. Sie erkennen, dass es der Tod ist, der uns leben lässt.
"Er hatte begriffen, daß der Mord, der Tod eines Menschen, ihm Leben eingehaucht hatte."
Jan Costin Wagner: Eismond. Goldmann 2005. 319 Seiten.

"Es ist geradezu unheimlich, wie Jan Costin Wagner die ganz großen Gefühle nimmt und sie schockgefriert." (Die Welt).

"Ein meisterhaftes Lied von Liebe und Tod, so spannend wie wehmütig." (Focus).

"In seiner ruhigen, kargen, introspektiven Sprache erzählt Wagner Unerhörtes. Selten ist ein Kriminalroman so nah an das Rätsel des Todes herangerückt." (Die Zeit).

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